Ausgabe vom 19. September 2020 - Expertenrat

2,1 Mio. € Steuererstattung

Rechtsanwalt Michael Winterhoff

hs. Wettbewerb ist lästig, aber heilsam. Er sorgt dafür, dass sich die Unternehmen alle Mühe geben, das beste Preis-Leistungsverhältnis zu bieten. Denn dadurch wollen sie sich von der Konkurrenz abheben und viele Aufträge gewinnen. Doch ein Unternehmen bemüht sich meist vergeblich, wenn ein Wettbewerber vom Staat begünstigt wird und seinen Kunden deswegen besondere Vorteile bieten kann.

So erging es vor knapp zehn Jahren dem Ulmer Briefdienstleister Direktexpress, der zu einem größeren Unternehmensverbund, der Direktexpress Gruppe, gehörte. Direktexpress trug vor allem Behörden- und Gerichtspost aus, also beispielsweise Finanzamtsmahnungen, Zeugenladungen, Scheidungsurteile oder Testamentsvollstreckungen. Die Mitarbeiter brachten die Schreiben persönlich zum Empfänger und ließen sich von diesem den Erhalt bestätigen. Dafür berechnete Direktexpress seine Preise zuzüglich der vorgeschriebenen 19 % Umsatzsteuer.
Seine Kunden - Gerichte und Behörden - mussten wie jeder Endverbraucher die ihnen berechnete Umsatzsteuer in voller Höhe als Kosten tragen. Da war es für sie natürlich sehr interessant, dass ein anderes Unternehmen ihnen keine Umsatzsteuer in Rechnung stellte: die Deutsche Post AG. Sie ist von der Umsatzsteuerpflicht befreit und bot deswegen deutlich günstigere Preise.

2011 meldete Direktexpress Insolvenz an und nannte als Grund, dass es mit dem umsatzsteuerbefreiten Preisen der Deutschen Post nicht mithalten konnte. Insolvenzverwalter wurde Michael Winterhoff von der WINTERHOFF Rechtsanwalts GmbH in Ulm.
So manch anderer Insolvenzverwalter hätte nun das Vermögen - ein knallrotes Sofa im Wert von weniger als 3.000 € - verkauft, die restlichen Mitarbeiter entlassen, seine Gebührenrechnung gestellt und den Fall abgeschlossen.

Michael Winterhoff wollte es sich nicht so einfach machen. Er zog vor Gericht, über viele Jahre und mehrere Instanzen hinweg. Er klagte dafür, dass nicht nur die Deutsche Post, sondern auch alle anderen Unternehmen von der Umsatzsteuer befreit sind, wenn sie Schriftstücke von Gerichten und Behörden förmlich zustellen. Jahre später, im Oktober 2019, gab ihm der Europäische Gerichtshof recht.

Diesem Urteil folgte im Sommer 2020 das oberste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof. So wurden Direktexpress die abgeführte Umsatzsteuer plus Zinsen zurückgezahlt -  eine Erstattung von rund
2,1 Mio. €.

Für die gesamte Direktexpress Gruppe erzielte Michael Winterhoff damit eine Erstattungsmöglichkeit von über 14 Mio. €, sofern die Insolvenzverwalter der übrigen Gesellschaften den Ball aufnehmen und ihre Erstattungsanträge stellen.

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