Ausgabe vom 02. Juli 2022 - Gesundheit

Entspannt schmerzfrei werden

Michael Aigner über Schmerzen und ihre Ursachen

Wem nach einer durchzechten Nacht der Kopf dröhnt, der braucht nicht lange nach der Ursache seines Leidens zu fragen. Bei anderen Beschwerden hingegen lässt sich der Grund oft schwerer feststellen. Doch es gibt ihn, denn Schmerzen kommen nicht aus heiterem Himmel. Worauf sie häufig zurückzuführen sind, erklärt Michael Aigner. Vor allem beschreibt der Heilpraktiker für Psychotherapie, wie sich viele Schmerzen behandeln lassen: durch Entspannung.

ma. Etliche Beschwerden - so beobachte ich es in meiner Praxis - beruhen auf Muskelverspannungen oder gar Verkrampfungen. Diese belasten den Bewegungsapparat und führen zu einer schiefen Körperhaltung. Ein extremes Beispiel dafür ist die Skoliose, also die dreidimensionale Verkrümmung der Wirbelsäule.
Was sind dann die Folgen? Fehlstellungen in den Gelenken. Daraus ergeben sich unter Umständen erhöhte Abnutzung, Arthrose, eventuell ein Bandscheibenvorfall und Schmerzen.

Bei den meisten Patienten sehe ich eine schiefe Haltung sowie einen Beckenschiefstand. Fast alle Menschen sind schief und wissen dies in der Regel nicht. Und irgendwann kann der Schmerz kommen.

Deswegen setze ich in meiner Behandlung die Entspannung ein: Ich habe eine Methode entwickelt, welche die Muskulatur nachhaltig löst. Diese "Empfindungsfokussierte Schmerztherapie" führt im Regelfall zu einer aufrechteren Haltung, um Fehlstellungen und Schmerzen abzubauen.

Wollen Sie wissen, ob bei Ihnen Schmerzen auftreten könnten? Dann lassen Sie - etwa von Ihrem Partner - Ihren Rücken betrachten.

Der Rückentest
ma./hs. Sind Sie schmerzgefährdet? Das können Sie herausfinden, indem Sie beispielsweise Ihren Partner oder einen Freund bitten, Ihren Rücken anzusehen. Er sollte insbesondere auf Ihre Schultern achten. Dabei kann er die Höhe der Schulterblätter vergleichen, indem er deren untere Enden mit dem Daumen ertastet. So zeigt sich schnell, wie gerade oder schief Sie sind.
Dasselbe mache ich, wenn schmerzgeplagte Patienten zu mir in die Praxis kommen. Nach einem ausführlichen Vorgespräch fotografiere ich ihren Rücken. Dazu lege ich meine Daumen unmittelbar unter die beiden Schulterblätter. Sieht man die Daumen auf derselben Höhe, ist der Klient - oder natürlich die Klientin - aufrecht. In der Regel befinden sich die Schulterblätter und damit die Daumen jedoch nicht auf einer Waagrechten, sondern auf unterschiedlichen Ebenen. Das zeigt: Die Haltung ist schief.

Die Entspannung
Wie geht es nun weiter? Der Klient legt sich auf eine Liege, und ich begleite ihn in einen angenehmen Entspannungszustand. Ich bitte ihn, darauf zu achten, was in ihm vorgeht. Er bleibt ungefähr eine dreiviertel Stunde auf der Liege, und ich frage immer wieder: "Was spüren Sie gerade?"
Die Antworten sind völlig unterschiedlich und wechseln meist im Laufe der Zeit: Genannt werden etwa die bekannten Schmerzen, derentwegen man zu mir gekommen ist, vielleicht auch Spannungen an ganz anderen Körperstellen oder Schwere, Kribbeln, Wärme, Leichtigkeit...
Wenn ich dann den Patienten sage, dass sie die Liege wieder verlassen können, geschieht oft das Unerwartete: Klienten, die zu Beginn der Behandlung mit Mühe und Not auf die Liege geklettert, steigen nun behende herab und wundern sich, dass es so leicht geht.
Es folgt ein zweiter Fototermin mit dem Rücken. Nun liegen gewöhnlich meine Daumen beziehungsweise die Schulterblätter auf einer Ebene, sprich: Die Haltung hat sich verbessert - der Patient steht normalerweise aufrechter.
Und was ist aus den Schmerzen geworden? Natürlich kann ich nicht jedem helfen. Doch viele Patienten berichten gleich oder nach einigen Tagen, dass ihre Beschwerden abgenommen haben oder ganz verschwunden sind. Ab und zu rufe ich sie nach etlichen Jahren nochmals an und erkundige mich, wie es ihnen jetzt geht. Dann bestätigen sie mir in der Regel, nach wie vor schmerzfrei zu leben.

Bewusst machen
Nun fragen Sie sich vielleicht: Wenn Schmerzen von Verspannung herrühren, woher kommen dann die Verspannungen? Diese können beispielsweise von Stress, früheren Erlebnissen oder verdrängten Gefühlen ausgelöst werden. Häufig handelt es sich um belastende Erfahrungen, von denen man annimmt, damit längst abgeschlossen zu haben.

Die Empfindungsfokussierte Schmerztherapie arbeitet unmittelbar mit der Kraft der Entspannung. Deswegen ist es hier zunächst nicht erforderlich, sich mit den hinter den Verspannungen liegenden Ursachen zu befassen.
Manchmal kann jedoch der Blick auf die Gründe hilfreich sein, ob nun innerhalb der Empfindungsfokussierten Schmerztherapie oder ganz unabhängig davon:

Einmal lag ein Klient auf meiner Behandlungsliege, dessen Schmerzen einfach nicht nachlassen wollten. Da erzählte er mir von seinen Kindheitserlebnissen mit einem zu strengen Vater. Daraufhin nahmen die Schmerzen endlich ab.

Ähnlich erging es einem Herrn, dem eines Abends ein Zahn furchtbar weh tat. Nun war der Schmerzgeplagte vor Kurzem beim Zahnarzt gewesen und wusste deshalb: Diesem Zahn kann nichts fehlen, er hat keinen Hauch von Karies. Der Zahn schmerzte trotzdem. Zudem überfiel den Herrn eine Traurigkeit, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Und er fragte sich: "Wann hatte ich schon einmal diese besondere Trauer?" Da fiel ihm ein: Bei der Trennung von seiner Frau, als sie ihn wegen eines anderen Mannes verlassen hatte und er nicht wusste, wie es mit den Kindern und dem gemeinsamen Haus weitergehen soll. Er erlebte dieses Gefühl nochmals und ließ auch seinen Tränen freien Lauf. Dreimal dürfen Sie raten, was sich bei den rätselhaften Zahnschmerzen getan hatte: Sie waren verschwunden.

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