Ausgabe vom 08. Februar 2014 - Besser Leben

Stress abbauen und Entspannung finden

Christiane Mühmel, Coach für Ordnung und Struktur

Die Hündin Leika ist äußerst aktiv. Sie rennt viel und weit. Sie würde - wenn man sie nur ließe - leidenschaftlich gerne jagen. Sie kommentiert jedes Geschehen in ihrer näheren und weiteren Umgebung laut bellend. Doch womit verbringt sie den weitaus größten Teil ihrer Zeit? Mit Nichtstun.

hs. Was Tiere und Kleinkinder perfekt beherrschen, müssen wir Erwachsenen oft wieder lernen: Zu jeder Anspannung gehört viel Entspannung

ie Anspannung kommt meist ganz von alleine: Angst weist auf Bedrohungen hin. Ärger zeigt, was wir verändern sollten. Freude sagt uns, dass wir ein Ereignis genießen dürfen. Die Anspannung kann uns jedoch überfordern, wenn sie sehr stark ist oder vor allem länger anhält. Dann wird sie zum Stress. Wer von uns fühlt sich nicht irgendwie gestresst? Was wir gewöhnlich beklagen ist der sogenannte Disstress, also negativ empfundene Belastungen wie Zeitnot, Konflikte oder Sorgen. Weitaus schwieriger dürfte es sein, jemanden anzutreffen, der über „Eustress“ klagt. Darunter versteht man die besondere Anspannung aufgrund positiver Erlebnisse, etwa wegen eines Lottogewinnes oder der ersten Verliebtheit. Aber selbst in diesen Fällen schützt es uns vor Überforderung, wenn die Euphorie allmählich etwas nachlässt. Dann kann nämlich der Anspannung wieder die Entspannung folgen.
Entspannung ist notwendig, um erholt und gesund zu bleiben. Sie hilft, einen kühlen Kopf zu bewahren und das Richtige zu tun. Doch sie stellt sich, im Unterschied zur Anspannung, selten automatisch ein. Wir müssen uns oft um sie bemühen. Dafür gibt es viele Möglichkeiten und Methoden. Einige davon werden auf den folgenden Seiten vorgestellt.


hre Stressfrei-Strategie
„Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung“. Beobachten Sie sich also einige Tage oder gar Wochen:  Wann und warum geraten Sie in Stress? Welche Gemeinsamkeiten haben diese Situationen? Unterscheiden Sie dann die Stressursachen - die sogenannten Stressoren - in äußere oder innere Einflüsse:
Als äußere Stressoren gelten beispielsweise Zeitmangel, unlösbar erscheinende Aufgaben oder Streitigkeiten. Überlegen Sie, wie sich diese konkreten Schwierigkeiten bewältigen lassen. Benötigen Sie etwa ein besseres Zeitmanagement, Kreativitätstechniken oder Konfliktberatung?
Oft machen Sie sich den Stress selbst, vor allem durch überhöhte Ansprüche und Ängste. Dann spricht man von inneren Stressoren. Was schafft hier Abhilfe? Sie können Ihre Erwartungen realistischer halten. Sie haben die Auswahl unter vielen geistigen und körperlichen Entspannungsmethoden. Vielleicht brauchen Sie auch eine ausgewogenere Ernährung, mehr Bewegung, ein Hobby oder einfach nur genügend Schlaf?
Wenn Sie so Ihre „Stressfrei-Strategie“ zusammen stellen, werden Sie rasch bemerken: Die Grenzen zwischen äußeren und inneren Stressoren sind fließend. Denn letztlich tragen wir den Schlüssel zur Lösung aller Probleme in uns selbst.

Ihr persönlicher Stresstest

In dieser Checkliste sind einige Situationen geschildert. Welche davon verursachen bei Ihnen immer Stress? Tragen Sie für jede dieser Situationen in der Spalte „Punkte“ 3 Punkte ein. Überlegen Sie dann, bei welchen Situationen Sie häufig in Stress geraten? Dort vermerken Sie unter Punkte bitte eine 2. Und in welchem der geschilderten Fälle kommen Sie selten in Stress? Notieren Sie bei jedem dieser Fälle 1 Punkt. Löst eine Situation bei Ihnen gar keinen Stress aus, dann tragen Sie 0 Punkte ein. Anschließend zählen Sie alle eingetragenen Punkte zusammen. Vergleichen Sie nun Ihr Testergebnis mit den Auswertungen in der rechten Spalte.

Ihr Testergebnis: 22 bis 36 Punkte

Gratulation! Sie haben den Stress meistens im Griff und wissen, Ihre Kräfte gut einzuteilen. Sie spüren instinktiv, wo die innere Anspannung für Sie gut und nützlich ist und wo sie sich nicht lohnt, weil sich dadurch nichts ändern lässt. Gönnen Sie sich trotzdem immer wieder kleine Verschnaufpausen. Damit Sie weiterhin so schön entspannt bleiben, lesen und nutzen Sie die Empfehlungen auf diesen Seiten.

Ihr Testergebnis: 37 bis 51 Punkte

Ihr Stressgefühl ist gut ausgeprägt, andererseits muten Sie sich auch eine ganze Menge zu. Achten Sie darauf, dass Sie rechtzeitig spüren, wann Ihnen etwas zu viel wird und Sie zu überfordern droht. Machen Sie immer wieder kleine Pausen und reagieren Sie möglichst schnell schon auf kleinste Anzeichen von Stress und Unwohlsein.

Ihr Testergebnis: 52 bis 66 Punkte

Sie haben ein hohes Stressempfinden und fühlen sich leicht bis an die Grenze Ihrer Leistungsfähigkeit und darüber hinaus gefordert. Für Sie ist es wichtig, sich klar zu machen, dass Sie Ihr Möglichstes tun, um die Anforderungen zu erfüllen: Mehr geht beim besten Willen nicht, ohne dass Sie sich Ihre Gesundheit und Ihre Lebensfreude völlig ruinieren. Die beste Voraussetzung für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung Ihrer Leistungsfähigkeit liegt darin, dass Sie sich selbst nicht immer so oft unter Druck setzen, immer alles optimal erledigen zu wollen.

Stress vermeiden und ..

Wie viel Stress mit meinen Hausaufgaben hätte ich mir früher ersparen können, wenn ich sie einfach gemacht hätte.

hs. So manche Sorgen lösen sich in Genugtuung auf, wenn wir ihre Ursache beseitigen, also beispielsweise lästige Aufgaben erledigen. Das gelingt umso besser, je weniger wir uns auf das Problem und je mehr wir uns auf dessen Lösung konzentrieren. Wir beklagen dann nicht die Anforderungen und Schwierigkeiten, sondern überlegen, wie wir sie am besten bewältigen. Wir sehen die Welt nicht in Problemen, sondern in Herausforderungen.

Eine solch entspannte Herangehensweise bezeichnet der Hypnosetherapeut Paul McKenna als „Worst-CasePlanung“, also Planung für den schlechtesten Fall. McKenna befragte - unter dem vielversprechenden Buchtitel „Ich mach Dich reich!“ - einige der Superreichen unserer Zeit. Sie schilderten, wie sie ihre oft millionenschweren Entscheidungen treffen:

  1. Sie denken an ein Vorhaben oder Ereignis.
  2. Sie fragen sich, was dabei alles schiefgehen könnte.
  3. Sie überlegen sich für jedes mögliche Hindernis eine Lösung.

Wenn wir diese Worst-CasePlanung nach dem zweiten Schritt abbrechen, verharren wir in Sorgen. Machen wir jedoch den dritten Schritt, fühlen wir uns leichter.

Unsere Aufgaben können wir umso entspannter lösen, je besser wir unsere Zeit nutzen. Was gehört zu einem guten Zeitmanagement? Sich auf das Wesentliche konzentrieren, delegieren, vorausplanen und genug Freiraum vorsehen für Unerwartetes und Erholung.

Und wenn wir eine Schwierigkeit partout nicht bewältigen können? Dann hilft uns die Entscheidung, gelassen zu bleiben, also Dinge hinzunehmen, die sich nicht ändern lassen.

.. sich aktiv entspannen

Ob wir eine Aufgabe lösen oder uns davon erholen wollen: Beides fällt uns leichter, wenn wir uns aktiv entspannen.

hs. Einige glückliche Zeitgenossen sind von Natur aus entspannt. Üblicherweise jedoch müssen wir uns die Entspannung regelrecht erarbeiten, uns aktiv und bewusst darum bemühen. Wir müssen uns - so widersprüchlich das auch klingen mag - aktiv entspannen. Dafür gibt es viele Möglichkeiten. So viele, dass die Entspannungstrainerin Ulrike Patscheider aus Weißenhorn-Bubenhausen sogar Volkshochschulkurse gibt, um einen Überblick zu verschaffen. Die Kursteilnehmer testen die verschiedenen Entspannungstechniken und finden die für sie passende Methode. Welche das sein wird, hängt - so beobachtet Ulrike Patscheider - auch vom Wesen des Entspannungssuchenden ab:

Machertypen und sportliche Zeitgenossen wollen sich betätigen. Sie wählen oft fernöstliche Bewegungslehren wie Yoga, Qi Gong, Tai Chi bis hin zu Kampfsportarten. Sie mögen Techniken, bei denen sie ihre Muskeln gezielt einsetzen und lockern können. Dazu gehören auch die sogenannte „Progressive Muskelentspannung“, die Gymnastik und das daraus abgeleitete Pilates.

Kopfmenschen, ruhige Naturen und Denkertypen möchten verstehen, wie und warum die Entspannungsmethode wirkt. Sie schätzen vor allem Massagen, Meditationen und Atemtechniken, aber auch die Progressive Muskelentspannung.

Gefühlsorientierte, künstlerische Typen entspannen sich gerne über ihre Vorstellungskraft, über gedankliche Bilder und Fantasiereisen. Auch das „autogene Training“ liegt ihnen.

Allen Entspannungssuchenden gibt Ulrike Patscheider drei Empfehlungen mit auf den Weg: Die Entspannungstechnik zumindest anfangs regelmäßig üben, um sie dann im Ernstfall sofort parat zu haben. Sie möglichst unter Anleitung - also in Kursen und an Schulen - erlernen. Und sie vorher mit dem Arzt absprechen, wenn man etwa wegen Depressionen in Behandlung ist.

 

Entspannung in Bildern

Was uns belastet oder erfreut, sind nicht unmittelbar die äußeren Ereignisse. Entscheidend ist vielmehr, wie wir das Geschehen wahrnehmen und bewerten, welche Bilder wir mit ihm verbinden.

hs. Nun unterscheidet unser Unterbewusstes nicht zwischen Realität und Vorstellung. Wir können also unser Wohlbefinden dadurch beeinflussen, dass wir ein inneres Bild neu schaffen oder verändern. Wir können es beispielsweise verstärken, indem wir es uns intensiv ausmalen: Wir versetzen uns in das Bild, als ob wir es gerade erleben. Dann sprechen Psychologen  von Assoziation. Ebenso ist es möglich, ein Bild immer mehr von außen und aus der Entfernung zu betrachten. Irgendwann hat es mit unserer Person eigentlich nichts mehr zu tun. Dies bezeichnet man als Dissoziation. Viele Entspannungstechniken arbeiten mit Bildern: Positive werden assoziiert und negative dissoziiert. Oder sie werden umgewandelt, beispielsweise vom Ernsten-Bedrohlichen ins Belustigende, vom Betrüblichen ins Erfreuliche. Natürlich können auch völlig neue Bilder geschaffen werden und uns entspannen. Am besten gelingen die Reisen in die Bilderwelt, wenn wir vorher die Augen schließen und dreimal tief durchatmen.

Fantasiereise

Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich an einem schönen Platz in der Natur. Vielleicht kennen Sie einen solchen Ort, oder Sie erfinden ihn. Erleben Sie ihn mit allen Sinnen. Sehen Sie die eindrucksvolle Landschaft, hören Sie das Zwitschern der Vögel, spüren, riechen und schmecken Sie.

Sorgenkiste

Probleme lassen Sie schlecht schlafen? Stellen Sie sich vor: Neben Ihrem Bett steht eine große Holztruhe oder -kiste. Vor dem Schlafengehen öffnen Sie langsam den Deckel. Alle Sorgen und Ärgernisse legen Sie in die Truhe. Schließen Sie den Deckel. Am nächsten Morgen können Sie ihn wieder öffnen. Dann dürfen Sie alle Aufgaben und Belastungen herausholen, sofern sie noch da sind

Mehr Abstand

Erinnern Sie sich an eine belastende Situation, an etwas „Stressiges“. Stellen Sie sich alle Einzelheiten genau vor. Treten Sie nun rückwärts aus dem Bild, aus Ihrem Körper heraus, bis Sie sich selbst von hinten im Bild sehen. Schieben Sie dann das Bild weitere vier Meter von sich weg, bis es so aussieht, als würde jemand anderes die negative Situation erleben. Entfernen Sie daraufhin alle Farben. Es bleibt nur ein Schwarz-weiß-Bild übrig. Dieses verkleinern Sie noch. Anschließend lassen Sie es möglichst durchsichtig werden. Mit dem Bild dürften Sie nun deutlich schwächere Gefühle verbinden. Fragen Sie sich nun, ob Sie zu der dargestellten Situation eine Entscheidung treffen müssen. Wenn dies nötig ist, dann entscheiden Sie aus der neuen Ansicht.

Wir atmen sowieso

hs. Sie sitzen in einer wichtigen und stressigen Verhandlung und brauchen dringend etwas Entspannung. Sie werden wohl kaum eine Gymnastikmatte dabei haben, sie vor Ihren erstaunten Gesprächspartnern ausrollen und Dehnungsübungen beginnen. Sie werden sich auch nicht auf eine schöne Fantasiereise begeben, während die anderen munter weiter verhandeln. Dennoch können Sie sich unbemerkt entspannen: Indem Sie atmen.

Atemtechniken lassen sich leicht erlernen und sofort einsetzen. Sie sind unauffällig und wirken schnell. Und sie werden in vielen anderen Entspannungstechniken mit verwendet

Wie entspannt man sich durch das Atmen am besten? Indem man möglichst tief durchatmet, also nicht nur mit den Brustkorb, sondern auch mit dem Bauch, das heißt mit dem Zwerchfell. Empfohlen wird meist, einzuatmen über die Nase und auszuatmen über den Mund oder auch über die Nase. Man kann dabei - soweit es die äußeren Umstände erlauben - die Augen schließen und sich bequem, aber aufrecht hinsetzen. Eine grundlegende Atemübung besteht beispielsweise darin, sich nur auf den Atemvorgang zu konzentrieren. Man beobachtet sich und seinen Körper beim Atmen. Zusätzlich kann man dabei in Gedanken jeden Atemzug zählen, von eins bis zehn und dann wieder von vorne. Bei anderen Atemübungen richtet man seine Aufmerksamkeit auf bestimmte Stellen im Körper oder außerhalb davon, beispielsweise beim Einatmen auf den Scheitel und beim Ausatmen auf die Fußsohlen. Schließlich gibt es Übungen, bei der man jedes Ein- und Ausatmen verbindet mit einem gedachten Satz oder mit einer Bewegung.

Vom Scheitel zur Sohle atmen

Beim tiefen Einatmen konzentrieren Sie sich auf ein Punkt knapp oberhalb Ihres Scheitels. Beim Ausatmen richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Boden unter Ihren Füßen. Lassen Sie so den Atem von oben durch Ihren Körper nach unten strömen.

Konzentration

Das in den 1930er Jahren entstandene autogene Training schafft Entspannung durch Konzentration: Man konzentriert seine Gedanken auf Formeln wie: „Ich bin ruhig, der rechte Arm ist angenehm schwer ...“. Wer diese Methode - möglichst unter Anleitung - erlernt, kann sich wirksam in Entspannungszustände versetzen.

 

 

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