Ausgabe vom 07. September 2013 - Besser Leben

Zeitmanagement: Mehr Zeit fürs Wesentliche

Wer würde schon das Fahrrad den Berg herunter schieben, weil er nicht die Zeit hat, kurz anzuhalten und aufzusteigen? Nicht nur beim Fahrradfahren lohnt es sich, einmal innezuhalten, um anschließend schneller vorwärts zu kommen. Das lehrt uns das Zeitmanagement. Es zeigt, wie wir Ziele besser, rascher und entspannter erreichen.

hs. Wir haben mehrere Lebensrollen. Das heißt, wir betätigen uns in etlichen Lebensbereichen: Beispielsweise als Mitarbeiter in einem Unternehmen, als Elternteil in der Familie, als Vorstand im Sportverein oder einfach nur als guter Freund. Außerdem sind wir verantwortlich für uns selbst, also für unser finanzielles, gesundheitliches und seelisches Wohlergehen. Und wir brauchen ausreichend Erholung und wollen in unserem Tun einen Sinn sehen.

In allen Lebensrollen möchten wir Ziele erreichen. Das Zeitmanagement hilft uns dabei.

 

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Behälter, etwa einen Eimer oder eine stabile Vase. Diesen Behälter sollen Sie befüllen mit einer bestimmten Menge an Sand und Wasser. Außerdem wollen Sie in dem Behälter möglichst viele größere Steine unterbringen. Wie gehen Sie dabei am besten vor?

  1. Sie geben zunächst den Sand und das Wasser in den Behälter. Dann packen Sie noch so viele Steine hinzu als möglich.
  2. Sie legen zuerst Steine in den Behälter. Anschließend füllen Sie ihn mit dem Sand und dem Wasser auf.
  3. Es ist völlig egal, in welcher Reihenfolge Sie Sand, Wasser und Steine einfüllen.

Das Kieselprinzip

Wie bringen wir Sand, Wasser und möglichst viele Steine in einem Eimer oder einem großen Glaskrug unter? Das war die Frage auf Seite 1. Dort standen drei Antworten zur Auswahl. Die richtige davon ist die Nummer 2. Es kommen also zuerst große Steine in den Behälter. Um sie herum füllen wir dann Sand und Wasser ein. So wird jede Lücke zwischen den Steinen bestmöglich ausgenützt.

hs. Das nennt man „Kieselprinzip“. Es fehlt eigentlich in keinem Handbuch zum Zeitmanagement. Warum? Weil es uns deutlich macht, wie wir mehr erreichen können: Indem wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. Das weniger Wichtige behandeln wir dann als Lückenbüßer oder Füllmasse.

Was ist Wesentlich? Alles was uns unseren Zielen näherbringt. Wir erkennen also das Wesentliche umso leichter, je mehr wir uns unsere Wünsche bewusst machen und daraus Ziele ableiten. Dabei helfen uns vor allem solche Ziele, welche machbar, messbar und positiv formuliert sind und schriftlich notiert werden. So legen wir Ziele fest für unsere einzelnen Lebensrollen, das heißt für unsere Aktivitäten in den verschiedenen Lebensbereichen wie Beruf, Familie, sonstige Kontakte, Hobbys, Finanzen, Gesundheit, Erholung und seelisches Gleichgewicht. Dabei sollten wir uns auf die sieben wichtigsten Lebensrollen beschränken, um ihnen noch gerecht werden zu können.

Unsere Lebensziele für die verschiedenen Bereiche können wir in einzelne Schritte aufteilen. Wir halten also fest: Was wollen wir erreichen beispielsweise in fünf Jahren, im laufenden Jahr, in diesem Monat, in der kommenden Woche und am folgenden Tag. So wird aus einem großen Lebensziel eine Treppe leichter erreichbarer Etappenziele.

Was machen wir nun, wenn wir - gerüstet mit unseren Zielen - der täglichen Aufgabenflut entgegen blicken? Nun, wir denken an Pareto und an Eisenhower.

Das Pareto-Prinzip

Vilfredo Pareto, ein italienische Wissenschaftler, entdeckte im 19. Jahrhundert die statistische „80/20-Regel“.

hs. Danach erreicht man mit ungefähr 20 Prozent des Gesamtaufwandes meist schon 80 Prozent des angestrebten Ergebnisses.  Die übrigen 80 Prozent unserer Zeit verwenden wir dann damit, aus einem guten achtzigprozentigen Ergebnis eine perfekte hundertprozentige Lösung zu machen.

Der wahre Zeitmanager fragt sich daher vor jeder Arbeit, ob sie tatsächlich zu denjenigen 20 Prozent gehört, welche 80 Prozent seines Erfolges ausmachen. Er überlegt also bei jeder Aufgabe: Lohnt es sich, sie überhaupt zu bearbeiten, und muss ich dabei wirklich perfekt sein?

Die Eisenhower-Rangfolge

Ein Zeitmanager plant genau: „Was soll ich wie und wann erledigen?“ Dabei hilft ihm ein Prinzip, das der ehemalige US-Präsident und General Dwight D. Eisenhower entwickelt hat.

hs. Diese Regel beurteilt Aufgaben nach ihrer Wichtigkeit und ihrer Dringlichkeit. Wichtig beziehungsweise wesentlich sind alle Tätigkeiten, die spürbar zu unseren Zielen beitragen. Dringend sind Arbeiten, die sich nicht weiter aufschieben lassen, sondern sofort erledigt werden müßten. Anhand dieser beiden Kriterien werden Aufgaben nun in vier Gruppen eingeteilt:

  1. A-Aufgaben sind wichtig und dringend: Sie müssen vorrangig, schnell und so gut als möglich erledigt werden. Ihre hohe Bedeutung rechtfertigt, dass wir nach hundertprozentigen Lösungen streben, soweit es die knappe Zeit noch erlaubt.
  2. B-Aufgaben sind wichtig, aber nicht dringend: Für sie sollten wir uns rechtzeitig genügend Zeit nehmen. Denn sie sind für unsere Ziele sehr bedeutsam. Deshalb lohnt sich hier ein hoher Einsatz. Delegieren können wir solche Aufgaben, wenn wir dafür jemanden finden, der sie mindestens ebenso gut löst wie wir selbst. In jedem Fall sollten B-Aufgaben erledigt sein, bevor sie dringend werden und damit eine AAufgabe darstellen
  3. C-Aufgaben sind weniger oder garnicht wichtig, aber dringend: Sie kann man delegieren oder eventuell ablehnen beziehungsweise in den Papierkorb befördern. Die Entscheidung darüber muss rasch fallen.
  4. D-Aufgaben sind weder wichtig noch dringend: Auch hier empfiehlt es sich, zu delegieren oder womöglich den Vorgang wegzuwerfen. Das sollten wir entscheiden, solange wir noch Zeit haben und die Aufgabe nicht dringend geworden ist.

Es lohnt sich also, möglichst viel Zeit den B-Aufgaben zu widmen. Wir vermeiden damit, dass sie zu stressigen A-Aufgaben werden. Zudem verlieren wir uns nicht in unwichtigen C- oder D-Aufgaben.

Es gibt übrigens zwei wichtige B-Aufgaben, die bei jedem von uns anfallen und die man nicht delegieren kann: Sich immer wieder nach dem Sinn seines Tuns und aller Mühen fragen. Und sich ausreichend Erholung gönnen. Dazu gehören Pausen an jedem Tag und zumindest ein arbeitsfreier Tag in der Woche. Nicht von ungefähr empfehlen einige große Weltreligionen, am siebten Tage zu ruhen.

Vom Lebensziel zum Tagesplan

„Machen Sie langsam, denn Sie haben es eilig!“ Diesen Rat gab ein erfolgreicher Geschäftsführer gerne seinen Mitarbeitern, wenn sie sich mit Feuereifer in ein neues Projekt stürzen wollten. Er legte ihnen damit nahe, Ruhe zu bewahren und sich ausreichend Zeit für Planung zu nehmen. Denn sie hilft dabei, schneller und günstiger an ein Ziel zu gelangen.

hs. Bei der Planung nehmen wir Handlungsschritte gedanklich vorweg. Wir notieren uns beispielsweise alle Maßnahmen für ein Projekt, die Aufgaben der kommenden Woche oder die Arbeiten des folgenden Tages. Das Zeitmanagement gibt hierzu einige Empfehlungen:

  1. Schriftlich planen:  So vergessen wir nichts. Wir behalten den leichter Überblick und die Kontrolle. Außerdem fühlen wir uns stärker an das gebunden, was wir uns vorgenommen haben.
  2. Termine setzen: Es lohnt sich abzuschätzen, wie lange die einzelnen Aktivitäten dauern und wann sie fertig sind. Spötter verweisen zwar darauf, dass Planung darin bestehe, Zufall durch Irrtum zu ersetzen.  Doch was ist besser: Sich ständig dem Zufall auszuliefern oder hin und wieder einen Irrtum zu erleiden? Aus einem Irrtum können wir lernen. Außerdem zeigt er uns frühzeitig, wann Korrekturen nötig sind.
  3. Ausreichenden Zeitbedarf vorsehen: Wenn wir realistisch oder gar großzügig rechnen, ersparen wir uns Verschiebungen und Verspätungen
  4. 40 Prozent Puffer einkalkulieren: Unerwartetes lässt sich nie vermeiden. Deswegen sollten wir unsere Zeit nur zu 60 Prozent verplanen. Die restlichen 40 Prozent bilden Puffer. Falls wir diesen dann nicht benötigen, können wir ja für den Folgetag vorarbeiten.
  5. Gleichartige Arbeiten zusammenfassen: E-Mails sind dafür das beste Beispiel. Wer jede eingehende Nachricht sofort liest und beantwortet, macht bald nichts anderes mehr. Sinnvoller ist es, die Mails zu sammeln und in regelmäßigen Abständen zu bearbeiten. Dasselbe gilt beispielsweise für die Ablage und für Abrechnungen, oder wenn wir Telefonanrufe tätigen. Auch solche Arbeiten lassen sich bündeln.
  6. Eine stille Stunde reservieren: Um wichtige Aufgaben konzentriert zu bearbeiten, können wir uns täglich mindestens eine störungsfreie Stunde gönnen. Wir vereinbaren für diese Zeit keine Termine und schalten das Telefon um. Außerdem informieren wir vorher die Kollegen, dass wir nach unserer produktiven Auszeit gerne wieder ansprechbar sind.
  7. Unsere Leistungs- und Störkurven beachten: Zu welchen Tageszeiten sind wir in der Regel besonders leistungsfähig? Und wann werden wir gewöhnlich weniger unterbrochen durch Anrufe etc? Wenn wir nach beiden Kriterien unserere Arbeitstage beobachten, ermitteln wir die eher leistungsstarken und störungsfreien Phasen. Sie eignen sich gut für wichtige Arbeiten und für die stille Stunde.
  8. Nach Prioritäten planen: In unseren To-do-Listen vermerken wir für jede Aufgabe auch die Priorität. Denn was lehrt das Kieselprinzip: Die wichtigen Aufgaben sind bevorzugt einzuplanen.
  9. Checklisten anlegen: Manche wiederkehrende Aufgaben umfassen mehrere Arbeitsvorgänge. Dann sind Checklisten sinnvoll. Sie zählen alle Arbeitsschritte auf und können ständig verbessert werden.
  10. Hilfsmittel nutzen: Wie können wir unsere Planung festhalten? Entweder in Papierform, also auf einem Blatt Papier, in Taschenkalendern oder in Zeitplanbüchern. Das geht meist schnell, unkompliziert und übersichtlich. Die elektronische Alternative sind etwa Mobiltelefone, Smartphones oder Microsoft Outlook. Hier können wir die eingegebenen Daten später gut ändern, weiter verwenden und vernetzen.

Übungen

Den Tag ausklingen lassen

hs. Blicken Sie abends kurz zurück auf ihren Tag: Was haben Sie gut gemacht? Was können Sie künftig verbessern? Was haben Sie aus welchem Grunde nicht erledigt? Wurden Aufgaben deswegen nicht bearbeitet, weil sie Ihnen doch nicht so wichtig erschienen? Können Sie diese Arbeiten delegieren oder  streichen?

Was können Sie besonders gut?

hs. Überlegen Sie sich, wo Ihre Stärken liegen. Was können Sie besser als andere? Machen Sie hierzu Notizen. Besprechen Sie diese mit Ihrem Partner und mit Ihren Freunden. Bemühen Sie sich dann bevorzugt um Aufgaben, für die Sie besonders begabt sind.

Soforthilfen im Alltag

Sie platzen in das Büro eines Kollegen, um ihm den neuesten Witz zu erzählen. Sobald er Sie sieht, steht er auf, um Ihnen entgegenzukommen. Warum?

hs. Denkbar sind mehrere Erklärungen: Der Kollege ist ausgesprochen höflich und steht deswegen immer auf, wenn jemand sein Büro betritt. Oder er freut sich bei Ihrem Anblick so sehr, dass er sich nicht mehr auf seinem Stuhl halten kann. Es könnte aber auch sein, dass Ihr Kollege gerade ungestört arbeiten will und ein geübter Zeitmanager ist. Dann möchte er Sie schnellstmöglich wieder aus dem Büro hinaus komplimentieren. Das gelingt ihm leichter, wenn Sie noch nicht weit in sein Zimmer vorgedrungen sind, geschweige sich setzen konnten. Deswegen geht er in Richtung Ausgang auf Sie zu.

Womöglich ist Ihr Kollege sogar ein ganz besonders gewiefter Zeitgenosse. Dann steht in der Nähe seines Schreibtisches gar kein Besucherstuhl, auf dem Sie oder andere ungebetene Gäste sich niederlassen könnten. Außerdem wird er Ihnen erklären, dass er  im Moment überhaupt keine Zeit hat. Natürlich wird er Ihnen einen geeigneten Termin vorschlagen, an dem Sie zu seiner Erheiterung beitragen können.

Das Zeitmanagement gibt uns nicht nur einige Tipps, um Störungen und Unterbrechungen abzukürzen. Es hilft unter anderem dabei, Aufgaben entschlossen anzugehen, Ordnung zu halten, sich effizient mit seinen Mitmenschen auszutauschen und erfolgreich zu delegieren.

Aufschieberitis überwinden

Vor allem unangenehme oder schwierige Aufgaben schieben wir gerne vor uns her.

  • Wenn wir eine Aufgabe nicht angehen, können wir uns zunächst fragen, warum das so ist. Wissen wir nicht, wie wir vorgehen sollen? Wollen wir die Aufgabe besonders gut erledigen? Haben wir einen solch hohen Perfektionsanspruch an uns, dass wir davor zurück schrecken?
  • Haben wir uns so die Hindernisse bewusst gemacht, dann suchen wir nach Lösungen. Wir können beispielsweise erfahrenere Kollegen um Rat fragen. Oder wir machen uns klar, dass ein nicht ganz perfektes Ergebnis immer noch besser ist als gar keines.
  • Außerdem dürfen wir uns immer wieder vor Augen halten, wie gut es uns geht, wenn die Aufgabe erledigt ist.
  • Schließlich sollten wir einfach einen Termin setzen, zu dem wir mit der hinausgezögerten Arbeit starten.
  • Wenn wir uns jedoch partout nicht zum Anfangen aufraffen können, dann haben die Psychologen noch einen weiteren Tipp parat: Wir setzen uns einfach vor die Aufgabe hin. Wir sehen sie an und tun nichts anderes mehr. Wir betrachten also den Ordner mit dem problematischen Vorgang, das weiße Blatt Papier oder den überquellenden Schrank, den wir endlich aufräumen müssen. Irgendwann wird uns das Nichtstun und Betrachten zu dumm. Dann fangen wir mit der Arbeit an.
  • Und wenn wir einmal mit ihr begonnen haben, lösen sich Widerwillen und Ängste meist in Arbeitseifer auf.

Ordnung schaffen

„Wer aufräumt, ist zu faul zum Suchen.“

Dieser Bürospruch sagt uns, wie wir Zeit sparen: Indem wir jedes  Papier und jede EMail möglichst nur ein- oder zweimal in die Hand nehmen. Die eingehenden Nachrichten werden dabei zunächst gesammelt. Dann sehen wir sie durch. Einiges davon können wir sofort erledigen, also beantworten, delegieren oder wegwerfen. Der Rest wird abgelegt in Ordnern und Mappen. Diese können geordnet sein nach Terminen, zu denen der Vorgang wieder bearbeitet werden soll; man spricht von Wiedervorlagemappen. Daneben benötigen wir thematisch sortierte Ordner und Mappen. In ihnen sammeln wir alle Unterlagen zu bestimmten Kunden, Lieferanten, Projekten oder Vorgängen.

Wirksam kommunizieren

Vor Telefonaten und Besprechungen empfiehlt es sich, Ziele, Fragen, Argumente stichwortartig aufzuschreiben und die nötigen Unterlagen bereit zu halten. Während des Gesprächs machen wir Notizen. Danach halten wir die Ergebnisse schriftlich kurz fest.

Ruhig delegieren

Können wir eine Aufgabe an einen geeigneten Mitarbeiter oder Kollegen übertragen? Dann sollten wir es tun und uns dafür viel Zeit nehmen.

Das heisst vor allem: Wir erklären die Aufgabe und ihre Bedeutung ausführlich. Wir erläutern ihre Vorteile für das Unternehmen und den Mitarbeiter. Wir legen vorab Regeln fest für die Entscheidungsspielräume des Mitarbeiters und für unsere Eingriffe. Wir verfolgen die Arbeitsergebnisse, sprich: wir kontrollieren, machen Verbesserungsvorschläge und loben gute Ergebnisse. Außerdem beachten wir, dass es zwei Prinzipien des Delegierens gibt: Das „Befehlsprinzip“ schreibt jeden Arbeitsschritt vor. Abweichungen müssen vom Vorgesetzten genehmigt werden. Dagegen nennt das „Auftragsprinzip“ nur Ziele. Es überlässt dem Mitarbeiter die Entscheidung, wie er die Ergebnisse erreicht. Die Unterscheidung in Befehls- oder Auftragsprinzip stammt übrigens aus dem Militärwesen. Dort gelten diejenigen Armeen, welche nach dem Auftragsprinzip geführt werden, meist als erfolgreicher.

Anzeige


Weitere Artikel