Ausgabe vom 18. Mai 2013 - Besser Leben

Mehr innere Stärke gewinnen durch Shaolin

Wir alle sind Schwierigkeiten ausgesetzt und durchleben Krisen. An den äußeren Einflüssen können wir wenig ändern. Wir können aber uns ändern. Wir können lernen, Herausforderungen besser zu bewältigen und zufriedener zu leben. Einen solchen Weg zu mehr Gelassenheit und Erfolg bieten die acht Leitsätze der Shaolin-Philosophie. Dargestellt sind sie in dem Buch „Shaolin“ von Dr. Thomas Späth und Shi Yan Bao.

hs. Entstanden ist jahrhunderte alte Lehre in buddhistischen Klostern in China. Sie hilft, mehr innere Stärke zu entwickeln. Das erreicht sie vor allem durch körperliches und geistiges Training, durch Atem- und Entspannungsübungen und durch eine positive Lebenseinstellung. Bekannt sind die Shaolin-Mönche und -Nonnen aus Kung Fu-Filmen und durch öffentliche Aufführungen. Dabei lassen sie sich Eisenstangen auf dem Kopf zerschmettern oder eine Speerspitze gegen die Kehle drücken - und bleiben ruhig und unbeschadet.

Wir müssen uns zwar selten gegen Stangen oder Speere wappnen. Doch das Buch und - auszugsweise - die folgenden Seiten zeigen, wie wir die Lehre der inneren Stärke im täglichen Leben nutzen können.

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Sich selbst steuern

Shaolin-Leitsätze 1 bis 3:

Unser Partner kommt zu spät und ärgert uns damit ungemein. Sind wir wirklich das Opfer seiner Unpünktlichkeit?

In uns allen findet ein Kreislauf statt, dreht sich das sogenannte Bewußtseinsrad:

  • Unsere Wahrnehmungen: Äußere Einflüsse - wie die Verspätung - nehmen wir wahr.
  • Unsere Gedanken: Dann denken wir über unsere Wahrnehmungen nach, d.h. wir bewerten sie anhand unserer Einstellungen.Wir legen beispielsweise Wert auf Pünktlichkeit und erwarten dies auch von unserer Umgebung? Wenn nun unsere Erwartungen nicht erfüllt werden, d.h. während wir vergeblich warten, verlieren wir uns in einem Meer unerfreulicher Gedanken: „Nie kommt er rechtzeitig, nie nimmt er mich ernst, niemand nimmt mich ernst ...“.
  • Unsere Gefühle: Aus unseren Gedanken entwickeln wir Gefühle, in unserem Beispiel Trauer und Ärger.
  • Unsere Reaktionen: Und als Folge unserer unersprießlichen Gefühle legen wir wohl kaum ein freundliches Verhalten an den Tag, wenn unser Partner endlich mal auf der Bildfläche erscheint.

Die äußeren Anlässe, zum Beispiel die Unpünktlichkeit, verursachen also nicht automatisch unser Fühlen und Handeln. Vielmehr bestimmen wir mit unseren eigenen Vorstellungen und Gedanken darüber, wie wir empfinden und reagieren. Wir können also unser Denken, Fühlen und Verhalten steuern. Das macht uns von äußeren Einflüssen unabhängiger und innerlich stärker.

Die Shaolin-Lehre empfiehlt dafür ein Vorgehen in drei Schritten:

1. Schritt: Wahrnehmen

Wir stellen ohne Wertung fest, was in uns vorgeht. Wir beobachten uns selbst, aus der Sicht eines unbeteiligten Betrachters. Wir fragen uns, welche Erwartungen wir haben, was wir denken, was wir fühlen und was wir dabei in unserem Körper spüren.

2. Schritt: Annehmen

Alles was wir in uns wahrgenommen haben, anerkennen und akzeptieren wir, ohne es mit Wertungen oder Vorwürfen zu verknüpfen. Wir verdrängen es nicht, sondern lassen es zu.

Doch wir betrachten es möglichst aus der Sicht eines neutralen Beobachters. Dabei können wir mehrmals tief durchatmen und bei jedem Atemzug laut oder leise sagen: „Da denkt etwas“, wenn uns beispielsweise Sorgen plagen,  oder „Da ist Ärger“, falls wir uns etwa über unpünktliche Zeitgenossen aufregen.

3. Schritt: Weiter verfolgen oder loslassen

Zuletzt entscheiden wir, inwieweit unsere Einstellungen, Gedanken und Gefühle uns helfen oder nicht.

Die positiven, hilfreichen von ihnen verfolgen wir weiter. Wir können sie sogar mit unserer Vorstellungskraft verstärken. Dafür malen wir uns intensiv aus, wie schön es ist, wenn wir unser Ziel erreicht haben.

Aber auch negatives Denken und Fühlen hat einen Sinn: Machen wir uns beispielsweise Sorgen, so suchen wir nach Lösungen. Sollten wir Angst bekommen, ergreifen wir Vorsichtsmaßnahmen. Die belastenden Gedanken und Gefühle blockieren uns jedoch, wenn wir sie ständig wiederholen und anheizen und uns in ihnen verlieren. Dann sollten wir sie besser aufgeben, sie „loslassen“.

Dafür halten wir uns vor Augen, dass sie uns nicht mehr weiterhelfen. Wieviel Ärger könnten wir uns etwa ersparen, wenn wir nicht mehr von einem Partner Pünktlichkeit erwarten, der dazu beim besten Willen nicht in der Lage ist?

Wir können uns auch vor Augen halten, dass sich alles wandelt, selbst Gefühle. Sie sind schließlich die chemische Verbindung einiger Hormone, die wie Nahrung allmählich vom Körper verzehrt werden.

Übungen

„Es denkt“

Achten Sie sich immer wieder darauf, welche Gedanken Ihnen gerade durch den Kopf schießen. Sie werden bemerken, dass Sie ständig von einem Hintergrundrauschen an Gedanken umgeben sind.  Formulieren Sie dabei nicht, dass Sie es sind, der die Gedanken hat. Sagen Sie stattdessen „Es denkt“ oder „Da denkt etwas“. Wählen Sie dann aus, mit welchem dieser Gedanken Sie sich jetzt, später oder garnicht beschäftigen wollen. Denken Sie auch bewusst an etwas ganz Anderes, Schöneres.

Gefühle beobachten

Was empfinden Sie gerade? Konzentrieren Sie sich auf dieses Gefühl. Versuchen Sie, es für fünf bis zehn Minuten zu beobachten. Dabei können Sie es in einem Satz beschreiben, zum Beispiel: „Da ist Ärger“. Sagen oder denken Sie den Satz mit jedem Ein- und Ausatmen.  Empfohlen wird die Übung ein- oder mehrmals täglich. Wenn Ihre Gedanken abschweifen, so kehren Sie immer wieder zu Ihrer Übung zurück.

Wertschätzen

Shaolin-Leitsätze 4 bis 6

Innere Stärke gewinnen wir, indem wir uns, unseren Körper und die Anderen achten.

Verantwortung übernehmen:

Wie entsteht Selbstbewusstsein? Indem wir Verantwortung übernehmen für uns und unsere Mitmenschen.

Hierfür können wir nutzen, was wir zu den ersten drei Shaolin-Leitsätze gelernt haben: Wir akzeptieren Schwächen und konzentrieren uns auf das Positive an uns und anderen. Wir machen uns von äußeren Einflüssen unabhängiger, indem wir unsere Reaktionen steuern. Unsere Ziele streben wir zwar mit unseren ganzen (Vorstellungs-) Kraft an. Doch wir wollen nicht von ihnen abhängig werden. Deswegen sind wir bereit, andere Ergebnisse zu akzeptieren und Kompromisse einzugehen.

Um etwas zu erreichen, brauchen wir auch Selbstdisziplin. Wie schaffen wir es, Vorsätze umzusetzen?

Zuerst stellen wir uns die gewünschten Ergebnisse vor. Dann überlegen wir, wie wir Hindernisse umgehen können. Unser Projekt setzen wir zunächst nur für eine bestimmte Probezeit um. Danach können wir seine Wirkungen beurteilen und es fortsetzen oder beenden. Außerdem informieren wir unsere Umgebung über das Vorhaben. Schließlich belohnen wir uns immer wieder, wenn wir Vorsätze befolgt haben.

Den Körper achten:

Innere Stärke gewinnen wir auch, indem wir auf unseren Körper achten: Eine aufrechte Haltung macht selbstbewusster. Bewegung baut belastende Gefühle ab. Wenn wir entspannt und tief durchatmen, verflüchtigen sich negative Empfindungen und es entstehen positive Gefühle.

Wichtig sind ausreichend Erholung und Schlaf sowie ausgewogenes Essen und Trinken. Bei solchen Tätigkeiten sollten wir nichts anderes tun, sondern uns ganz auf sie konzentrieren. Zum Beispiel essen wir dann, ohne fernzusehen. Vielmehr achten wir darauf, was wir verzehren, wie es schmeckt und was wir dabei spüren. Körperempfindungen können wir - wie jedes Gefühl - genau wahrnehmen, ohne Wertung annehmen und dann leichter loslassen. So werden selbst Schmerzen etwas erträglicher.

Die Mitmenschen achten:

Konflikte mit unseren Mitmenschen lassen sich nicht vermeiden. Es hilft nichts, wenn wir ständig nachgeben. Erstrebenswert ist dagegen eine Lösung, mit der es uns und möglichst auch den Anderen gut geht.

Bei Konflikten liegt die Ursache stets in unterschiedlichen Erwartungen. Wir hinterfragen also zunächst unsere eigenen Einstellungen. Wir können sie dem Gegenüber auch mitteilen, aber ohne Schuldzuweisungen, sondern in reinen „Ich-Botschaften“. So erklären wir unserem unpünktlichen Partner lediglich unsere Stimmung: „Ich bin etwas genervt, weil ich Dich um 14 Uhr erwartet hatte.“

Dann halten wir uns vor Augen, dass wir unsere Einstellungen einem anderen Menschen nicht einfach überstülpen können. Wir respektieren es, wenn er abweichende Wertvorstellungen hat. Um diese kennen zu lernen, beobachten wir ihn oder fragen nach seiner Meinung.

Anschließend entscheiden wir uns, ob wir unsere eigenen entgegenstehenden Erwartungen beibehalten oder aufgeben wollen. Das Loslassen fällt uns leichter, wenn wir uns daran erinnern, wie stark sich unsere Einstellungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert haben.

Bleiben wir jedoch bei unserem Ziel, so verfolgen wir es konsequent, aber respektvoll. Wir verhalten uns wie das Wasser. Weich und geschmeidig bahnt es sich geduldig und beharrlich seinen Weg, nach dem Motto: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“

Übungen

Meditation

Setzen Sie sich an einem ruhigen Ort möglichst aufrecht und entspannt hin. Sagen Sie mehrmals Sätze wie „Möge ich glücklich sein“ oder „Möge ich leicht und unbeschwert durch mein Leben gehen“. Wählen Sie nun zwei bis drei dieser Sätze aus, weil sie Ihnen besonders zusagen. Wiederholen Sie künftig die ausgewählten Sätze regelmäßig, ungefähr zehn Minuten täglich.

Das Gute sehen

Welche alltägliche Situation haben Sie heute negativ bewertet? Wie hätten Sie sie positiv sehen können? Welche guten Eigenschaften haben Ihr Partner oder Ihr Arbeitskollege etc.? Sammeln und notieren Sie  möglichst viele „Pluspunkte“.

Alltagseinstellungen

Begegnen Sie Ihrer Umgebung jeden Tag mindestens einmal mit einer Einstellung, die besonders dankbar, unkompliziert, großzügig, mitfühlend, humorvoll oder gelassen ist. Seien Sie an beispielsweise einem Tag dankbar für eine Selbstverständlichkeit, etwa für das Mittagessen. Geben Sie an einem anderen Tag ein üppiges Trinkgeld..... Loben Sie sich stets, wenn Sie eine der sechs hilfreichen Einstellungen bewiesen haben.

Jetzt gelassen leben

Shaolin-Leitsätze 7 und 8

1977 wollte ein Missionar den brasilianischen Indianerstamm der Pirahã bekehren. Sie kannten weder Vergangenheit noch Zukunft. Sie dachten nur in der Gegenwart ... und waren sehr glücklich. Nach einiger Zeit hatten sie den Missionar bekehrt.

Mit Gelassenheit können wir hektische und schwierige Situationen entspannter hinnehmen und mit ruhigem Kopf besser lösen.

Gelassener werden wir, wenn wir uns zunächst zwei Grundsätze vor Augen halten: Alles verändert sich, und alles hängt miteinander zusammen!

  • Sobald wir Veränderungen akzeptieren, müssen wir nicht mehr panisch am Bestehenden festhalten. Wir können in Ruhe aus den neuen Bedingungen das Beste machen. Und wir bleiben jünger. Denn unser Gehirn altert umso schneller, je mehr es sich mit der Vergangenheit beschäftigt.
  • Erkennen wir außerdem, dass alles mit allem verbunden ist, so kreisen unsere Gedanken nicht nur um das eigene Schicksal. Vielmehr sehen wir uns als Teil eines größeren Ganzen.

Zur Gelassenheit gehört es, seine Zeit für das Wesentliche zu nutzen.

Dafür sollten wir zwar planen, aber uns nicht bis zur letzten Minute verplanen. Vielmehr benötigen wir Erholungsphasen und Puffer für Unvorhergesehenes.

Die Zeit nutzen wir umso besser, je mehr wir unsere Aktivitäten auf den dafür geeigneten Moment legen. Anspruchsvolle Tätigkeiten beispielsweise erledigt der Frühaufsteher am besten morgens und die Nachteule sinnvollerweise abends.

Stattdessen konzentrieren wir uns auf das Wesentliche. Dafür setzen wir klare und realistische Ziele. Diese unterteilen wir in einzelne Zwischenziele. Wir bleiben aber ergebnisoffen, das heißt, wir sind bereit, die Ziele zu aktualisieren, zu ändern oder gar aufzugeben.

Wir alle müssen für die Zukunft planen und aus der Vergangenheit lernen. Das vorwärts- oder rückwärtsgerichtete Denken hat also durchaus seinen Nutzen. Doch wir können darauf achten, dass wir nicht ständig in der Vergangenheit verharren oder unser Leben stets in die Zukunft verschieben. Vielmehr richten wir die Aufmerksamkeit auf den Zeitpunkt, in dem das Leben stattfindet, nämlich auf die Gegenwart.

Wie können wir besser im Hier und Jetzt leben?

Zum ersten erledigen wir Versäumnisse der Vergangenheit und Arbeiten, die wir vor uns her schieben. Dadurch wird unser Kopf frei.

Zum zweiten widmen wir uns der momentan anstehenden Aufgabe mit voller Hingebungskraft zum Wohle aller Beteiligten. Dabei achten wir darauf, was wir gerade denken und fühlen.

Zum dritten begegnen wir schwierigen Situationen und Krisen so, wie wir es in den vorhergehenden Leitsätzen gelernt haben: Wir verdrängen unseren Kummer nicht, sondern beobachten ihn, nehmen ihn an und lassen ihn los. Dabei halten wir uns vor Augen, dass sich alles ändert, selbst unser Schmerz.

Und wir können die Vorstellungskraft nutzen, um bewusst an etwas Schöneres zu denken oder um die Chancen in der Krise zu finden.

Wir können uns auch eine besonders schlimme Lage vorstellen, etwa dass wir tot wären. Erscheint uns demgegenüber das aktuelle Problem immer noch so wichtig?

Oder gibt es Wesentlicheres im Leben?

Übungen

Mehr Zeit für das Wesentliche

Schreiben Sie alle Tätigkeiten auf, die Ihnen belanglos, unnütz etc. erscheinen.  Entscheiden Sie sich dann, probeweise in den kommenden drei Wochen auf eine dieser „Zeitverschwendungen“ zu verzichten. Wählen Sie danach alle drei Wochen aus der Liste eine weitere Aktivität aus, die sie zunächst testweise weglassen.

Innehalten

Machen Sie immer wieder eine kurze Pause, vor allem, wenn sich ein Konflikt anbahnt. Atmen Sie dabei viermal tief durch und beobachten Sie sich selbst: Was tun Sie gerade, was denken Sie, und wie fühlen Sie sich?

Ihre Grabrede

Schreiben Sie Ihre Grabrede, auch wenn Sie noch quicklebendig sind. Halten Sie fest, wie Sie in Erinnerung bleiben wollen. Mit Ihrem Kontostand oder mit einer guten Art, anderen Menschen zu begegnen? Stimmt Ihr Nachruf mit der Realität überein? Wie können Sie dem geschilderten Ideal näher kommen?

 

Was wir über Shaolin berichten, stammt stark verkürzt aus dem anschaulichen und alltagstauglichen Buch von Dr. Thomas Späth und Shi Yan Bao: Shaolin - Das Geheimnis der inneren Stärke, Gräfe und Unzer Verlag, München, 2. Auflage 2011, 160 Seiten, 14,99 €. Es bietet praktische Lebenshilfe und viele einleuchtende Übungen.

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