Ausgabe vom 06. Juli 2013 - Besser Leben

Was uns fördert

Ergebnisse der „Resilienzforschung“:

Zur Zeit lesen wir etliche Meldungen und Statistiken darüber, dass die Herkunft eines Kindes seinen Werdegang stark beeinflusst: Akademikerkinder erreichen öfters Abitur und Studium. Abkömmlinge aus gutsituiertem Haus gelangen leichter in einflussreiche und gutbezahlte Positionen. Muss nun jeder resignieren, der aus einfacheren Verhältnissen stammt? Natürlich nicht, das zeigt die „Resilienzforschung“.

hs. Wer  Schwierigkeiten meistert und Krisen widersteht, den bezeichnet die Forschung als „resilient“. Anfangs untersuchte sie die Frage, warum manche Menschen sich gut und erfolgreich entwickeln, obwohl sie denkbar ungünstige Startvoraussetzungen hatten. Wie kommen Slumbewohner zu Einfluss und Reichtum? Wie schaffen es Kinder aus völlig zerrütteten Elternhäusern, trotz aller seelischen Vorbelastungen ein gutes Familienleben aufzubauen? Mittlerweile werden sogar Gemeinden und Gesellschaften auf ihre Widerstandskraft hin untersucht. Was befähigt sie, Krisen zu meistern, seien es nun Lawinen, Hochwasser oder Börsenkräche?

Die Resilienzforschung zeigt, welche Eigenschaften wir pflegen können, um uns und unsere Kinder zu fördern.

Lebensfreude

Sie erhalten heute die zweite Ausgabe Ihrer neuen Lebensfreude.

Die erste Ausgabe erschien am Pfingstwochenende.
Mit Wasser heilen: Seite 6
Sie ist auf überraschend hohe Resonanz gestoßen. Leser - insbesondere Leserinnen - riefen uns an, um zu loben, um zusätzliche Exemplare für Freunde und Verwandte anzufordern und um weitere Auskünfte zu einzelnen Artikeln zu erhalten. Auch Anzeigenkunden berichteten über erfreuliche Rückläufe. Was uns ebenfalls freut: Wir bekamen etliche Hinweise auf Positives in unserer Region. So können wir Ihnen nun eine schöne Mischung bieten - gute Nachrichten und manchen Tipp für ein besseres Leben.

Verbundenheit

„Willst Du bessere Noten? Geh in die Kirche.“ Zu diesem Ergebnis kamen die amerikanischen Forscher Glen Elder und Mark Regnerus, als sie 10.000 Jugendliche untersuchten. Sie stellten fest, dass Schüler, die häufig am Gottesdienst teilnahmen, in der Regel bessere Noten hatten.

hs. Die überdurchschnittlichen Leistungen beobachteten die Wissenschaftler jedoch nicht bei Kindern, die zwar religiös waren, aber nicht in die Kirche gingen. Entscheidend für die guten Ergebnisse war, dass die Kinder in eine Gemeinschaft eingebunden waren. Sie erlebten Verbundenheit, das heißt sie fühlten sich anderen Menschen zugehörig und suchten deren Wertschätzung.

Warum fördert die Gemeinschaft ihre Mitglieder? Die Forschung nennt vor allem zwei Gründe:

  1. Das Gefühl der Verbundenheit und Zugehörigkeit gibt Kraft und Zuversicht. Und man entwickelt das Vertrauen, auf andere zuzugehen.
  2. Die in der Gemeinschaft geteilten Werte spornen den Einzelnen an. Er will diesen Vorstellungen entsprechen, um in der Gruppe anerkannt zu werden. Dabei wird er umso besser gefördert, je konstruktiver, positiver die Werte sind. Vor allem ein Wert erweist sich als leistungssteigernd: Bildung, und zwar Bildung um ihrer selbst willen.
  3. Ob man im Sportverein trainiert oder ein soziales Ehrenamt übernimmt: Wer sich Gemeinschaften anschließt, die konstruktive Werte teilen, stärkt sich und andere.

Schwäche zeigen

Wer resilient, also krisenfest ist, wird doch bestimmt keine Schwäche zeigen?

hs. Doch, das tut er. Zumindest stellten das Forscher bei Kindern fest, die sie als besonders stabil und leistungsfähig einstuften.

Diese Kinder waren überdurchschnittlich einfühlsam und gefühlsbetont. Sie sprachen über ihre Gefühle und gingen auf andere Menschen zu. Sie scheuten sich nicht, um Hilfe zu bitten. Sie gestanden Ihre Schwächen ein und hatten eine realistische Selbsteinschätzung. Sie waren diszipliniert, und sie lernten gerne.

Übungen

Verbundenheit

hs. Es gibt zwei positive Gefühle, welche wir schon im Mutterleib erfuhren und die uns besonders wichtig sind. Zu diesen „Kernressourcen“ gehören einerseits die Verbundenheit zu anderen Menschen  und andererseits der Drang, sich loszulösen und zu wachsen. Fragen Sie sich nun, was für Sie Verbundenheit, Geborgenheit bedeutet. Wann haben Sie das Gefühl stark erlebt? Rufen Sie diese Situation möglichst genau in Ihr Gedächtnis zurück. Was spüren Sie dabei in Ihrem Körper?

Meditation

hs. Setzen Sie sich an einem ruhigen Ort möglichst aufrecht und entspannt hin. Sagen Sie zunächst für fünf Minuten: „Möge ich glücklich und verbunden sein“. Dann sprechen Sie ebenfalls für fünf Minuten: „Möge ich furchtlos sein und loslassen können“. In einer solchen Meditation stärken Sie die für jeden Menschen grundlegenden Gefühle, die „Kernressourcen“. Wenn Ihre Gedanken abschweifen, kehren Sie einfach zur Übung zurück.

Selbstwirksamkeit

Ein einsamerer Wanderer sieht einen hungrigen Leoparden auf sich zukommen. Der Mann nimmt einen herumliegenden Stock, um damit sein Leben zu verteidigen. Die Wildkatze schleicht um ihr Opfer, greift aber nicht an. Sie spürt die Entschlossenheit des Mannes, sich zu wehren. Dann kommen sie an ein Dorf. Der Leopard verschwindet wieder. Erleichtert wirft der Wanderer den Stock weg. Dieser zerspringt, er war morsch.

hs. Der Wanderer hatte den Willen und das Selbstvertrauen, die Gefahr aus eigener Kraft abzuwehren. Er bewies „Selbstwirksamkeit“. Dieser Begriff wurde bereits in den 1970er Jahren von dem Psychologen Albert Bandura entwickelt.

Unter Selbstwirksamkeit kann man folgende Eigenschaften zusammen fassen:

  • Sich weder auf Glück oder Zufall verlassen noch sich in sein Schicksal ergeben: Der Wanderer hat sich nicht damit beruhigt, der Leopard werde schon nicht angreifen, er habe bestimmt schon gegessen. Der Wanderer hat sich aber auch nicht damit abgefunden, dass er nun das Mittagessen sein soll.
  • Die Dinge selbst in die Hand nehmen: Der Wanderer hat stattdessen gewußt, dass es an ihm liegt, ob er überlebt. Er handelte nach dem Sprichwort: „Hilf Dir selbst, so hilft Dir Gott“.
  • Die eigenen Fähigkeiten realistisch einschätzen: Dem Wanderer war klar, dass er körperlich weit unterlegen ist. Er verfiel nicht auf die Idee, bei ausreichender Motivation müsse sich ein Leopard doch mit bloßen Händen erwürgen lassen. Das hätte der Wanderer vielleicht probiert, wenn er keine andere Wahl gehabt hätte. Und es gibt tatsächlich Beispiele, in denen sich Menschen mit bloßen Händen einer Raubkatze erwehrt haben.
  • Möglichkeiten ergreifen, kreative Lösungen finden: Der Wanderer hat nach der besten Gelegenheit gesucht, sich zu retten. Und diese Gelegenheit war ein - morscher - Stock.

Wie lässt sich nun die Selbstwirksamkeit steigern?

Hierzu nennen die Psychologen vor allem vier Möglichkeiten:

  1. Eigene Erfolgserlebnisse erarbeiten: Wer sich an Herausforderungen wagt und Rückschläge in Kauf nimmt, erzielt Erfolge. Das stärkt sein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
  2. Erfolge anderer zum Vorbild nehmen: Meistert jemand anderes eine Aufgabe, so traut man sie sich leichter zu. Dies gilt vor allem dann, wenn der Erfolgreiche ähnliche Eigenschaften hat wie man selbst. Es hilft also, Vorbilder zu suchen. Diese sollte man neidlos auf Gemeinsamkeiten betrachten, um feststellen zu können: „Wenn er das erreicht hat, dann könnte ich es auch schaffen.“
  3. Vertrauen und gutes Zureden: Unrealistischer Erwartungsdruck hemmt. Aber Vertrauen und Ermunterung beflügeln ungemein. Das gilt für den Umgang mit Kindern oder Mitarbeitern ebenso wie im Verhältnis zu sich selbst.
  4. Entspannt bleiben: Hindernisse und Bedrohungen lösen Ärger oder Angst aus. Auf diesen Stress reagiert der Körper durch kürzeren Atem und Anspannung. Wer dann tief durchatmet und sich entspannt, bleibt ruhiger und besonnener. Er gewinnt mehr Selbstvertrauen.

Mit gestärktem Selbstvertrauen fällt es leichter, Hindernisse zu überwinden und Ziele zu erreichen.

Kinder fördern

hs. Die Forschung empfiehlt unter anderem:

  • Wert auf Bildung legen. 
  • Den Kindern vorlesen. Das schafft mehr Verbundenheit.
  • Sich Gemeinschaften und Gruppen anschließen und dort Verantwortung übernehmen
  • Kindern ermöglichen, dass sie ebenfalls in Gemeinschaften aktiv werden.
  • Die Kontakte zwischen Kindern und Großeltern pflegen.
  • Kinder bis zum Alter von 3 Jahren möglichst viel selbst bzw. zuhause betreuen, wenn die Eltern dazu beruflich, zeitlich und psychisch in der Lage sind. So werden Kinder anscheinend stabiler und lernfähiger. Das ergab eine Studie des National Institute of Child Health an Human Development (NICHD) zu über 1100 amerikanischen Familien.

 

Lebenssinn

Am 4. Juli 1952 wollte Florence Chadwick von der Insel Catalina aus zur kalifornischen Küste schwimmen. Das Ziel war 21 Meilen beziehungsweise 34 Kilometer entfernt. Chadwick hatte schon als erste Frau den Ärmelkanal in beiden Richtungen durchquert. Ihre Mutter und ihr Trainer fuhren in einem Boot neben ihr her. Nach mehr als 15 Stunden hielt die Schwimmerin die Kälte nicht mehr aus. Sie bat darum,  aus dem Wasser gezogen zu werden. Ihre Begleiter beschworen sie, nicht so kurz vor dem Ziel aufzugeben. Es fehlten bis zur kalifornischen Küste nur noch eine halbe Meile, also weniger als ein Kilometer. Doch Chadwick schaute in Richtung der Küste, sah nur dichten Nebel, und ließ sich ins Boot holen. Später erklärte sie: „Es war der Nebel... Wenn ich das Land hätte sehen können, hätte ich es geschafft. Wenn man da draußen am Schwimmen ist und sein Ziel nicht sehen kann ...“

hs. Wir bewirken umso mehr und fühlen uns umso wohler, je mehr wir in unserem Dasein und in unserem Handeln einen Sinn sehen. Dieser Lebenssinn macht uns also leistungs- und widerstandsfähiger, das heißt „resilienter“.

Einen Sinn können wir dadurch finden, dass wir Ziele haben, auch wenn sie nicht unbedingt im Durchschwimmen eiskalter Wasserstraßen bestehen müssen.

Wie erreichen wir unsere Ziele?

Wir erreichen Sie vor allem, indem wir sie uns regelmäßig vor Augen halten:

  • Ziele vorstellen: Wir können uns immer wieder möglichst genau die Situation vorstellen, in der wir unser Ziel erreicht haben werden. So legen wir in unserem Unterbewusstsein die Bahnen für den Erfolg. Wie die Gehirnforschung festgestellt hat, kann nämlich das Unterbewusstsein nicht zwischen intensiver Vorstellung und Realität unterscheiden.
  • Ziele formulieren und wiederholen: Um uns das Ziel ständig in Erinnerung zu rufen, können wir es auch in einem Satz zusammenfassen. Diesen Satz, die sogenannte Affirmation, wiederholen wir immer wieder.
  • Ziele aufschreiben: Wenn wir Ziele schriftlich festhalten, müssen wir sie klarer durchdenken. Und wir erreichen sie leichter. So verglichen Forscher in einer Langzeitstudie den Werdegang von Absolventen der Harvard Universität:  83 % dieser Studienabgänger hatten sich zu Beginn ihrer Berufslaufbahn keine Ziele gesetzt. 14 % hatten Ziele formuliert, aber nicht niedergeschrieben. Sie verdienten im Durchschnitt dreimal so viel wie die erste Gruppe. Zehnmal so viel wie die erste Gruppe verdienten im Schnitt diejenigen Absolventen, die anfangs eindeutige Ziele für ihre Karriere festgelegt und schriftlich festgehalten

Wie formulieren wir unsere Ziele?

Hier empfiehlt es sich, auf drei Kriterien zu achten:

  1. Konkrete Ziele: Je genauer ein Ziel formuliert ist, desto besser lässt es sich umsetzen. Es sollte möglichst die sechs W-Fragen beantworten: Wer? Was? Wie viel? Wo? Wann? Warum? „Ich will sportlicher werden“, ist bestimmt ein löblicher Vorsatz. Hilfreicher ist das Ziel: „Ich werde jeden Samstag- oder Sonntagvormittag eine halbe Stunde in unserem Wald joggen gehen, um meinen Kreislauf zu stärken.“
  2. Realistische, machbare Ziele: Das Ziel sollte uns fordern, aber nicht überfordern. Der Waldlauf am Wochenende muss kein Marathon sein. Ziele lassen sich auch in Zwischenschritte unterteilen, mit einer Belohnung nach jeder Etappe. Und wir sollten uns nicht von ihnen abhängig machen, sondern Herr des Geschehens bleiben. Das heißt, wir können Ziele auch ändern oder gar aufgeben.
  3. Positive Ziele: Das negativ formulierte Ziel, „ich will weniger träge sein“, macht uns eher unsportlicher. Denn damit kritisieren wir uns. Und Kritik neigt dazu, den kritisierten Zustand noch zu verstärken. Warum? Kritik hält uns ausgerechnet dasjenige vor Augen, was wir eigentlich nicht wollen. Wir verwenden genau die Methode, die wir oben gelernt haben, um etwas zu fördern. Nur fördern wir damit keine positiven Erwartungen, sondern einen negativen Zustand. Wirksamer sind also motivierende Ziele, die sagen, was wir wollen. Sie nennen das angestrebte Ergebnis - beispielsweise Sportlichkeit - und seine Vorteile - etwa mehr Energie und Wohlbefinden.

Am meisten profitieren wir von Zielen, welche sich nicht nur auf eigene Interessen beschränken, sondern auch das Wohl anderer Menschen zum Gegenstand haben. Das hat die moderne Glücksforschung an buddhistischen Mönchen festgestellt, die lange mit solchen Zielen meditierten. Sie erwiesen sich als überdurchschnittlich glücklich.

Übungen

4 Kernleitfragen

hs. Stellen und beantworten Sie sich täglich vier Fragen. Morgens fragen Sie sich:

  1. Was ist heute für Sie wichtig, was können Sie weglassen?
  2. Was tun Sie heute dafür, dass es Ihnen und den anderen heute gut geht?

Abends blicken Sie zurück:

  1. Wo waren Sie heute großzügig, wo dankbar?
  2. Wie haben Sie sich heute in einer schwierigen Situation verhalten, was hätten Sie zum Wohle aller Beteiligten besser machen können?

Nur Positives

tf. Nehmen Sie sich für die nächsten zehn Tage vor, auf Ihre Gedanken und Worte zu achten. Sprechen und denken Sie nur Positives. Vermeiden Sie Jammern, Klagen, Lästern und andere negative Worte und Gedanken. Jedes Mal, wenn Sie sich bei Negativem erwischen, schlagen Sie sich spürbar mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. Ihr Gehirn und ihr Unterbewusstsein werden dann bemerken und fühlen: Nur gute Worte und Gedanken sind vorteilhaft.

Die Grafik, einige Texte und Übungen zur Titelgeschichte stammen abgewandelt aus „Shaolin“ von Dr. Thomas Späth und Shi Yan Bao, Gräfe und Unzer Verlag, München, 2. Auflage 2011.

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