Ausgabe vom 07. Dezember 2013 - Besser Leben

Das Geheimnis dauerhafter Beziehungen

Beim argentinischen Tango kennt die Frau oft nicht die Figuren, die der Mann tanzt. Schon gar nicht weiß sie, wann ihr Partner welchen Schritt machen wird. Sie kann ihn auch nicht fragen. Denn während des Tanzes spricht man nicht. Trotzdem wird es ein schöner Tanz. Warum? Und was hat das mit dem Geheimnis guter Beziehungen zu tun?

hs. Tänze wie der argentinische Tango sind Teamarbeit ohne Worte: Die Frau achtet genau auf die Körpersignale des Mannes. Auf welchem Bein hat er gerade sein Gewicht? Mit dem anderen, freien Bein wird er dann den nächsten Schritt machen. Sie weiß also, mit welchem Bein sie gleich gehen muss. Und seine Körperdrehungen zeigen ihr, in welche Richtung sie sich bewegen soll.

Ebenso achtet der Mann auf seine Partnerin. Auf welchem Bein steht sie gerade? Steht sie so, dass er die nächste Figur machen kann? Oder muss er einen anderen Schritt wählen. Sind seine Signale bei ihr angekommen? Wie kann er sich nachvollziehbarer bewegen und besser auf seine Partnerin eingehen?

Das alles geschieht schweigend. Es gibt keine Diskussionen, Kritik oder Umerziehungsversuche. Jeder akzeptiert den Partner, so wie er ist. Man kann sein Gegenüber im Moment sowieso nicht ändern. Es liegt allein an einem selbst, aus dem Tanz das Beste zu machen.

Was für einen kurzen Tango gilt, gilt wohl auch für lange Ehen und Partnerschaften. So sehen es anscheinend einige Autoren und Paarberater. Über ihre Empfehlungen berichten wir auf den folgenden drei Seiten.

Respektvoll übereinander lachen

Ein schöner Tanz und eine dauerhafte Beziehung - für beides empfiehlt sich anscheinend dasselbe Rezept: Den Partner mit seinen Unzulänglichkeiten als unabänderlich ansehen und selbst bestmöglich darauf reagieren.

hs. Ob eine Beziehung Bestand hat und ob wir uns in ihr wohl fühlen, liegt dann weniger am Partner. Es liegt vor allem an uns selbst, an unseren Erwartungen, Einstellungen und Reaktionen.

Angenommen, die Unordentlichkeit des  Partners stört uns. Dann können wir entscheiden: Wollen wir das Chaos hinnehmen? Sollen wir selbst etwas dagegen unternehmen, beispielsweise aufräumen? Finden wir Regeln, die beide Seiten anerkennen und einhalten können? Oder beenden wir die Beziehung? Wenig erfolgversprechend dürfte es jedenfalls sein, dem Partner die Lösung zu übertragen, also darauf zu warten, dass er sich bessert, dass er sich umerziehen lässt. Denn Partner lassen sich nicht umerziehen. Das behauptet zumindest der Heidelberger Arzt, Paartherapeut und Autor Arnold Retzer. Er untersuchte, wodurch sich langlebige Beziehungen auszeichnen. Seine Ergebnisse veröffentlichte er bereits im Jahr 2009 unter dem ernüchternden Buchtitel: „Das Lob der Vernunftehe: Eine Streitschrift für mehr Realismus in der Liebe“. Daraus kann man mehrere Empfehlungen ableiten:

Die Ansprüche niedrig halten: Wir werden umso zufriedener sein, je weniger wir von unserem Partner und unserer Beziehung erwarten. Überfordert wären sie vor allem mit dem Anspruch, uns glücklich zu machen. Dies schaffen allenfalls wir selbst. Außerdem dürfen wir akzeptieren, dass Männer und Frauen nun einmal sehr unterschiedlich sind, dass dauerhafte Spannungen und Widersprüche auch in der besten Ehe nicht ausbleiben. Nach Retzers Beobachtung lösen die meisten Paare nie ihre Konflikte. Doch darauf - auf eine Lösung - kommt es anscheinend gar nicht an.

Mit Respekt und Humor: Ausschlaggebend für eine gute Beziehung ist vielmehr die Art und Weise, wie die Partner im Konfliktfall miteinander umgehen. Was sagte ein seit Jahrzehnten verheirateter Familienvater, als ihm seine Tochter und deren Freund eröffneten, dass sie heiraten würden? „Ich wünsche Euch, dass Ihr richtig streiten lernt“. Doch wie streiten wir richtig? Indem wir darauf verzichten, uns gegenseitig zu verletzen oder verächtlich zu machen. Vielmehr respektieren wir einander. Und wir lachen übereinander. Wir bringen uns zum Lachen. Denn Humor entspannt und ist ein Ausdruck gegenseitiger Nachsicht. Zu dieser Milde gehört es auch, Fehltritte und Ungerechtigkeiten nicht aufzurechnen, sondern zu vergeben und zu vergessen.

Sich miteinander austauschen: Eine Ehe oder Beziehung ist mehr als nur eine gute Partnerschaft. Denn die Partnerschaft regelt lediglich wie ein Vertrag den fairen und gerechten Ausgleich von Interessen. In einer langjährigen Beziehung lassen sich aber Ungleichheit und Ungerechtigkeit nie vermeiden. Wie hält eine Beziehung solche Unterschiede aus? Indem wir ein gewisses Maß an Uneigennützigkeit einbringen, also auch ohne eigenen Vorteil für unseren Partner das Beste wollen. Diese Uneigennützigkeit verdanken wir vor allem zwei Gefühlen: Der Liebe und der Freundschaft. Sie sind sozusagen das Öl, mit dem wir unseren Beziehungsmotor rund laufen lassen. Und sie sind wie Pflanzen, die ständig gegossen werden wollen. Mit was können wir sie gießen? Mit Austausch: Wir erzählen viel und hören aufmerksam zu. Wir lassen den Partner an unseren noch so alltäglichen Erlebnissen teilhaben und nehmen gerne an seinem Leben teil.

Vor allem das Gute am Partner beachten: In der Liebesbeziehung richten wir unsere Aufmerksamkeit gewöhnlich auf gute Eigenschaften: Zuerst auf die, welche der Partner hat, später auf die, welche er nicht hat. Die erste Phase genießen wir. Die zweite mündet meist in zermürbender Dauerkritik und in vergeblichen Umerziehungsversuchen. Wie leben wir also angenehmer? Indem wir mehr das Positive an unserem Partner beachten und schätzen. Nichts anderes machen wir ja auch, wenn wir fernsehen. Wer würde schon aus der Fülle des TV-Programms stets gezielt diejenigen Sendungen aussuchen, welche ihm gar nicht gefallen, um sie dann ausgiebig anzusehen und sich ständig darüber aufzuregen? Besser ist es doch, das Gute sehen zu wollen - nicht nur beim Fernsehprogramm, sondern auch beim Partner. „Denken Sie sich Ihren Partner schön“, empfiehlt Retzer. In einer seiner Befragungen berichtete eine Teilnehmerin über ihren Ehemann: „Als ich zugenommen hatte, hat er gesagt, er mag dicke Frauen. Und als ich wieder abgenommen habe, hat er gesagt, er mag schlanke Frauen. Irgendwann habe ich dann begriffen, dass er mich liebt.“

Dich ändern? Mich ändern!

Alles ändert sich, Menschen ändern sich. Sie können sich ändern. Ist es Ihnen also möglich, Ihren Partner zu verändern? Stellen Sie sich beispielsweise vor, ...

... Sie haben einen etwas unordentlichen Partner. Sie legen Wert auf Ordnung und wollen, dass Ihr Partner mehr aufräumt. Was machen Sie?

hs. Wenn Sie ihn - hoffentlich nett - darum bitten, besteht eine gewisse Chance, dass er etwas aufräumt. Die Chance steigt, sobald Sie ihm erklären, warum das Aufräumen für Sie wichtig ist. Die Chance erhöht sich ebenfalls, wenn Sie die Aufräumarbeit belohnen, etwa durch Lob. Vielleicht erreichen Sie sogar, dass er auch sonst ein bisschen mehr aufräumt als bisher. Aber eines werden Sie vermutlich nie erreichen: Dass Ihr Partner richtig ordentlich wird. Wenn Sie das versuchen, haben Sie beste Chancen, dass Ihre Beziehung leidet und Ihr Partner eher noch unordentlicher wird. Warum?

Es ist ein Unterschied, ob Ihr Partner etwas tun soll oder ob er jemand anderes sein soll. Er ist bestimmt gerne bereit, ab und zu etwas für Sie zu tun, Aufräumen beispielsweise. Aber sind er beziehungsweise sein Unterbewusstsein auch bereit, Ihretwegen ein anderer Mensch zu sein, also ordentlich zu werden? Wer will sich schon zwingen lassen, seine Identität aufzugeben?

Vielleicht kann ihr Partner das auch gar nicht? Vielleicht ist seine Unordentlichkeit untrennbar verbunden mit Eigenschaften, deretwegen Sie ihn auserwählt haben? Das könnten Großzügigkeit oder Spontaneität sein. Jeder Mensch ist eine Paketlösung. Wer dessen Vorteile will, muss auch die Nachteile in Kauf nehmen.

Das alles schließt nicht aus, dass Sie gelegentlich Ihrem Unmut freien Lauf lassen; schließlich sind Sie auch kein Heiliger. Was aber passiert, wenn Sie gezielt ein Umerziehungsprogramm starten? Aus Ihrer Bitte, aufzuräumen, wird die Ermahnung, dass immer noch nicht aufgeräumt wurde. Dann folgt die Dauerkritik: „Du lässt immer alles rum liegen, Du bist furchtbar unordentlich, Du Chaot ...“

Nun gibt es eine häufig empfohlene Methode, um Ziele zu erreichen: Den gewünschten Zustand immer wieder schildern und ausmalen. Nichts anderes tut Ihre permanente Kritik. Sie beschreibt einen Zustand - den Fehler Ihres Partners - und bestärkt ihn dadurch. Was ist zu erwarten? Ihr Partner fühlt sich schlechter und wird noch unordentlicher.

Vermutlich geht es Ihnen beim Kritisieren ebenfalls schlechter. Denn das Unterbewusste kann nach Ansicht mancher Experten nicht so recht unterscheiden, wer mit Ihren Aussagen gemeint ist. Es bezieht die negativen Gefühle auch auf sich selbst. Entsprechend unwohl fühlen Sie sich dann.

Ein ungewollter Zustand wird verstärkt, und allen Beteiligten geht es schlechter. Ist das förderlich für die Beziehung? Außerdem verdrängt Dauerkritik die Nähe der vorbehaltlosen Liebe durch die Distanz des abwertenden Urteils. „Kritik killt Beziehungen“ schrieb Serge K. King schon 1990 in seinem Buch „Der Stadtschamane“.

Aber Sie müssen ja nichts und niemanden killen. Schließlich gibt es in unserer Region Dienstleister, welche beim Aufräumen helfen. Oder Sie einigen sich auf einen Schrank oder ein Zimmer, wo Ihr Partner sein Chaos ausleben darf. Vor allem aber können Sie sich immer wieder klar machen: Die Lebhaftigkeit, Großmut und Spontaneität Ihres Partners sind ein bisschen Unordnung wert.

... Sie sind unordentlich. Ihr Partner kritisiert das. Was machen Sie?

hs. Kommen Sie besser nicht auf die Idee, Ihrem Gegenüber den nebenstehenden Bericht unter die Nase zu halten und zu erklären: „Es ist zwecklos, seinen Partner ändern zu wollen. Sieh also zu, wie Du mit meiner Unordnung klar kommst!“ Denn dann verlangen Sie wiederum von Ihrem Partner, dass er sich ändert. Er soll nämlich darauf verzichten, Ordnung zu fordern und Kritik für konstruktiv zu halten. Gehen Sie lieber davon aus, dass Sie nur eine Person in Ihrer Beziehung verändern können. Und diese Person sind Sie selbst.

Versuchen Sie also, für mehr Ordnung zu sorgen. Holen Sie einen Aufräumberater, kämpfen Sie sich in Etappen durch Ihr Chaos. Nutzen Sie dabei die vielen Methoden, wie man Ziele besser erreicht und gute Vorsätze umsetzt. Einige der Tipps finden Sie in den bisherigen Lebensfreude-Ausgaben, archiviert unter „www. lebensfreude-verlag. de“.

Was? Sie schaffen es trotzdem nicht? Dann versuchen Sie, die Kritik Ihres Partners zu tolerieren. Aber die Kritik wird verletzend? Dann gleichen Sie sie aus, indem Sie sich - laut oder leise - für Ihre positiven Eigenschaften loben. Vor allem loben Sie Ihren Partner. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf seine guten Seiten. Beispielsweise darauf, dass es nur seiner Ordnungsliebe zu verdanken ist, wenn Sie zu Hause überhaupt noch was finden.  

Fünf Schlüssel der Liebe

Als ein älterer Junggeselle etwas vergesslich und eigenartig wurde, hatte der vorlaute Neffe sofort eine Erklärung: Dem Onkel fehle das geistige Training, weil er sich nicht in der täglichen Auseinandersetzung mit einem Ehepartner behaupten müsse.

Der Neffe urteilte natürlich zu einseitig. Denn man kann sich auch als Unverheirateter auf viele Arten geistig rege halten. Aber in einer Hinsicht hatte der Neffe recht: Eine Beziehung ist ein guter Weg, um sich persönlich zu entwickeln. Das betonen die Leiter der Integralis® Akademie, Doro Kurig und Jochen Tetzlaff. Sie beschreiben eine glückliche Partnerschaft durch „fünf Schlüssel der Liebe“:

Eigenständigkeit und Bindung: Jeder Partner kann und darf seine Individualität beibehalten und trotzdem die Nähe zum anderen pflegen.

Zärtlichkeit und Kommunikation: Manche Partner warten darauf, dass ihre Bedürfnisse vom Gegenüber wortlos erkannt und genau erfüllt werden. Sie warten meist vergeblich. Glücklicher werden sie, wenn sie ihre Wünsche äußern und selbst aktiv werden.

Geben und Nehmen: Letztlich wünschen beide Partner, dass Geben und Nehmen einigermaßen im Gleichgewicht sind. Das gelingt umso besser, wenn jeder nicht nur gibt, sondern dem anderen auch die Chance lässt, selbst zu geben. Was sollten also besonders Engagierte beachten, die vollständig ihre Zeit und Interessen opfern und sämtliche Verantwortung übernehmen? Sie dürfen ihren Einsatz etwas zurück nehmen und dem Partner die Möglichkeit einräumen, seinen Teil beizutragen.

Wertschätzung für sich und den Partner: Wer sich selbst oft kritisch betrachtet, überträgt diesen Mechanismus schnell auf den Partner. Wer aber seine guten Eigenschaften schätzt, dem fällt es auch leichter, den Partner zu achten und anzuerkennen.

Freude ausdrücken und Leid umarmen: Glück entsteht nicht nur, wenn man sich über etwas freut. Es entsteht - so haben Forscher herausgefunden - auch dadurch, dass man nicht gegen das Unglücklichsein ankämpft, sondern schwierige Lebensphasen akzeptiert

Doro Kurig und Jochen Tetzlaff sind seit über dreißig Jahren ein Paar und haben zwei erwachsene Kinder. Sie leben nicht nur miteinander, sondern arbeiten auch gemeinsam: Sie führen eine Praxis für Einzel- und Paartherapie in Kassel und veranstalten seit 1990 Seminare, Trainings und Ausbildungen. Sie waren 2003 Mitbegründer der Integralis® Methode und der Integralis® Akademie. Die Integralis® Methode verbindet körperorientierte, psychotherapeutische und meditative Betrachtungs- und Vorgehensweisen zu einem umfassenden Modell der Beziehungsarbeit und Persönlichkeitsentwicklung.

 

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